Netzwerktreffen im Freizeitforum Marzahn in Berlin
Rund 70 Vertreterinnen und Vertreter der durch das Bundesprogramm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“ geförderten Projekte folgten der Einladung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) und des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zum ersten Netzwerktreffen am 8. und 9. November 2017 in das Freizeitforum Marzahn nach Berlin.
Im Rahmen der Veranstaltung konnten sich die Kommunen über Herausforderungen, Erkenntnisse und Erfahrungen bei der Umsetzung der Förderprojekte sowohl untereinander als auch mit dem Zuwendungsgeber austauschen. Da die Projekte das erste Mal zusammenkamen, lag ein wesentlicher Schwerpunkt des Netzwerktreffens auf der Vorstellung der jeweiligen Projekte sowie dem gegenseitigen Kennenlernen.
Die Veranstaltung wurde durch eine Besichtigung des Freizeitforums Marzahn sowie einen geführten Spaziergang entlang der Marzahner Promenade und einem Besuch auf der benachbarten Aussichtsplattform „Skywalk“ abgerundet. Dies ermöglichte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen Blick über den Tellerrand: Sie lernten das Förderprojekt vor Ort in all seinen Facetten kennen und erhielten einen Eindruck über dessen Einbettung in das Quartiersumfeld.
Material Kleingruppenarbeit
Bitte loggen Sie sich mit Ihren Zugangsdaten ein, um die die Präsenationen des Netzwerktreffens einzusehen.
Begrüßung
Nicole Graf, Referatsleiterin Soziale Stadt, Städtebauförderung und ESF im BMUB, hieß die Teilnehmenden des Netzwerktreffens willkommen. Die zahlreichen eingegangenen Förderanträge zum Bundesprogramm als Teil des Zukunftsinvestitionsprogramms des Bundes spiegelten laut Graf den großen Bedarf an Sanierung in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur wider. Das Gesamtvolumen der knapp 1.000 eingereichten Interessenbekundungen habe das zunächst vorgesehene Programmvolumen von 140 Millionen Euro deutlich überschritten. Vor dem Hintergrund der fast fünfzehnfachen Überzeichnung habe der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages weitere 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um weitere Projekte auf Basis der eingereichten Interessenbekundungen fördern zu können. Auf Grund der grundgesetzlichen Aufgabenverteilung könne der Bund den Förderbedarfen nicht in Gänze Rechnung tragen, das sei auch nicht das Ziel des Bundesprogramms. Vielmehr gehe es darum, bundesweit nachahmenswerte gute Beispiele mit besonderer Strahlkraft zu fördern. Ein Schwerpunkt der Projekte liege in der Schaffung von Begegnungsorten in den Kommunen, denn diese würden gerade im Zeitalter der Digitalisierung und Individualisierung immer wichtiger.
Gordon Lemm, Bezirksstadtrat für Schule, Sport, Jugend und Familie des Bezirks Marzahn-Hellersdorf, ging bei seiner Begrüßung auf die besondere Geschichte des Freizeitforums Marzahn ein, dessen Sanierung auch durch das Bundesprogramm gefördert wird. Nachdem das Freizeitforum ursprünglich planwirtschaftlich konzipiert wurde, stehe es seit der Wende bis heute vor marktwirtschaftlichen Herausforderungen. Das Freizeitforum sei im Grunde dreigeteilt in die Einrichtungen Jugendforum, Zentralbibliothek und das eigentliche Freizeitforum, das die Bereiche Kultur und Sport beheimatet. Diese Einzigartigkeit mache aber auch die Akquise von Fördergeldern schwierig, wenngleich durch hohe Infrastrukturkosten ein gesteigerter Investitionsbedarf bestünde. Umso dankbarer zeigte sich Lemm für die Unterstützung im Rahmen des Bundesprogramms.
Inhaltliche Schwerpunkte der Veranstaltung
Den Schwerpunkt der Veranstaltung stellte die Arbeit der Teilnehmenden in Kleingruppen dar. Diese waren nach den Nutzungsschwerpunkten Jugend & Kultur, Sport(hallen), Sport (Bäder und Außenanlagen) und Mischnutzung aufgeteilt. Am ersten Veranstaltungstag präsentierten die kommunalen Vertreterinnen und Vertreter in ca. 15-minütigen Vorträgen ihre Projekte. Dabei stellten sie die lokalen Rahmenbedingungen vor und gaben einen Überblick über den Stand der aktuellen Planung und Umsetzung. Am zweiten Tag des Netzwerktreffens wurden die bisher gewonnenen Erkenntnisse in einer weiteren Workshoprunde gebündelt. So wurden beispielsweise gemeinsame Problemfelder sowie inhaltliche und bauliche Anforderungen der Projekte analysiert. Dazu tauschten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer innerhalb der thematischen Kleingruppen unter anderem über Trends und Herausforderungen aus. Die Ergebnisse wurden in der abschließenden Plenumsrunde präsentiert und zusammengefasst.
Vielfalt der Projekte
Bei der Zusammensetzung der kommunalen Projekte eröffnet sich auf den ersten Blick ein sehr heterogenes Bild: Die Sanierungsvorhaben sind zu verschiedenen Zeitpunkten im Projektverlauf in die Förderung eingestiegen, der grundsätzliche Umfang und der aktuelle Baufortschritt unterscheiden sich, ebenso die Akteurskonstellationen vor Ort. Des Weiteren gilt es zwischen tatsächlichen Sanierungen, also dem Bauen im Bestand, und Ersatzneubauten zu differenzieren. Besonderheiten in Ausrichtung und Bedarf, wie zum Beispiel eine saisonale oder ganzjährige Nutzung, müssen ebenso berücksichtigt werden.
Während viele Kommunen bereits mit öffentlicher Förderung vertraut sind, erhalten andere zum ersten Mal Fördermittel in diesem Umfang. Letzteren fehlt es daher an Erfahrung, beispielweise hinsichtlich des Ablaufs, den Anforderungen und den Formalitäten solcher Verfahren. Daher kann es zu „Übersetzungsschwierigkeiten“ der Begrifflichkeiten und Unsicherheit hinsichtlich der bürokratischen Anforderungen kommen. Da in den letzten Jahrzehnten vielerorts nur wenige Sanierungsprojekte umgesetzt wurden, sind in den Kommunen zudem Systemkenntnisse verloren gegangen, die nun erst wieder aufgeholt und auf den neuen Stand gebracht werden müssen.
Energetische Sanierung und Einsatz erneuerbarer Energien
Nachhaltigkeit und Umweltschutz gelten für alle Kommunen als Standardanforderungen, auch der Aspekt der Energieeffizienz spielt eine große Rolle. Zahlreiche Projekte zielen darauf ab, durch ihre Sanierungsmaßnahmen den hohen Wärme- und Energieverlusten, die veralteten Bauweisen geschuldet sind, entgegenzutreten. Dadurch werden teils immense Einsparungen generiert und der verbleibende Energiebedarf über erneuerbare Energien gedeckt. Die Kommunen setzen hier eigene Standards fest, die oft bis zu 40 Prozent über die gesetzlich festgelegten Einsparungsziele hinausgehen.
Barrierearmut und -freiheit
Bei Barrierefreiheit handelt es sich um einen Punkt, der je nach Nutzerstruktur und Anforderungen unterschiedlich intensiv betrachtet und umgesetzt wird. Dabei spielt unter anderem eine Rolle, inwieweit sich der Behindertenbeirat in die Planung und Konzeption einbringt. Dieser ist zwar fast allerorts als Akteur vorhanden, beteiligt sich jedoch in unterschiedlicher Ausprägung, weshalb die Umsetzung der barrierefreien Aspekte von Kommune zu Kommune variiert. Die Bandbreite reicht von barrierefreien und behindertengerechten Zugängen zu den Gebäuden, z.B. über einen Aufzug, bis hin zu speziellen Blindenplänen und Feuerschutzanforderungen. In einigen Kommunen wird im Rahmen des geförderten Projekts das Thema Barrierefreiheit zum ersten Mal angegangen. In diesem Zusammenhang fällt auch die Diskrepanz zwischen kleineren Gemeinden und großen Städten auf, die auf die größenbedingt unterschiedlichen infrastrukturellen Ziele und Schwerpunkte zurückzuführen ist.
Inklusion und Integration
Als gemeinsame Trends lassen sich schwerpunktübergreifend die Themen Inklusion und Integration identifizieren. Alle Projekte verfolgen den Ansatz der ganzheitlichen gesellschaftlichen Teilhabe am öffentlichen Leben. Sie sollen für verschiedenste Nutzergruppen zugänglich sein und zu Orten der Begegnung in den Kommunen werden. Dies impliziert bereits in der Konzeption die Herausforderung, die Einrichtungen von Grund auf nutzbar für alle in Frage kommenden Nutzergruppen oder Mietparteien zu planen. Eine solche vorausschauende Planung erleichtert es, auf eventuelle künftige Anforderungen ohne weitere Nachrüstung oder Umstrukturierung vorbereitet zu sein. Ein relevantes Stichwort bei der Projektkonzeption ist für die kommunalen Vertreterinnen und Vertreter daher auch die Versammlungsstättenverordnung als eine Grundlage für Weiter- und Umnutzungen. In den kommunalen Einrichtungen werden außerdem verschiedene Nutzergruppen, beispielsweise verschiedene Nationalitäten und Religionen, in einem gemeinsamen Umfeld zusammengeführt. Ziel ist die Förderung von gegenseitigem Kennenlernen und Austausch über Integration und gemeinsame Berührungspunkte.
Multifunktionalität der Einrichtungen
Eng an die unterschiedlichen Nutzergruppen ist der Aspekt der Multifunktionalität der Einrichtungen geknüpft. Als Beispiel sind an dieser Stelle allen voran Sporthallen zu nennen, da sich nahezu alle Gebäude im Zuge der Sanierungsmaßnahmen für vielschichtige Nutzungsmöglichkeiten über den bisherigen reinen Sportbetrieb hinaus ausrichten und so einen neuen ganzheitlichen Ansatz verfolgen. Mit Blick auf die Nutzerstruktur ist außerdem die Berücksichtigung der Diskrepanz zwischen Breiten- und Vereinssport ein relevanter Aspekt für Sportbetriebe, egal ob Hallen, Bäder oder Außenanlagen, zu nennen.
Gerade die Projekte mit Mischnutzungsschwerpunkt stehen der Herausforderung gegenüber, die verschiedensten Akteure und deren Anforderungen in ihren Einrichtungen zu vereinen. Dort liegt der Fokus vor allem auf der flexiblen Gestaltung der geplanten Räumlichkeiten sowie auf deren multifunktionaler Ausrichtung. Besonders bedeutsam ist dabei die Bereitschaft der Nutzergruppen zum gemeinsamen Dialog sowie zur Kooperation als Grundlage für den Projekterfolg. Durch die Vernetzung der Nutzergruppen können Synergieeffekte erzielt werden. In diesem Zusammenhang wurden ferner die Organisationsmodelle der Projekte sowie deren Finanzierung diskutiert. Wer kommt für die Ausstattung auf? Wer vermarktet die Einrichtung? Wer übernimmt die Betriebskosten? Diese und weitere Fragen beschäftigen unter anderem auch Projekte in den Bereichen Jugend und Kultur.
Bürgerbeteiligung
Generell unterscheidet sich der Einbezug von Bürgerinnen und Bürgern in die Planung und Gestaltung der Sanierungsvorhaben in den einzelnen Orten und in Abhängigkeit der jeweiligen Projektschwerpunkte. Die kommunalen Vertreterinnen und Vertreter, gerade aus den Bereichen Jugend und Soziales, zeigen sich aber dafür aufgeschlossen. In vielen Kommunen werden die Planungen und Konzepte mit großem Interesse aus der Bevölkerung verfolgt und im öffentlichen Leben diskutiert. Die Bürgerbeteiligung wird oftmals als entscheidender Aspekt der Projekte genannt, um die Bevölkerung dafür zu gewinnen und Bedenken und Vorurteile abzubauen. Teils führt die Bewilligung der finanziellen Förderung von Seiten des Bundes auch zu einem Umdenken in der Bevölkerung und zu einer neuen positiveren Haltung gegenüber der geplanten Einrichtungen. Grundsätzlich sollen die geförderten Projekte Impulswirkung haben und so auf das Zusammenleben in den Kommunen ausstrahlen. Den kommunalen Vertreterinnen und Vertretern ist es dabei wichtig, dass die späteren Nutzergruppen die neu entstehenden Räume auch aktiv bespielen sollen.
Herausforderungen in den Projekten
Es zeigt sich, dass die Kommunen größtenteils mit ähnlichen Problemstellungen zu tun und dabei ähnliche Erfahrungen gemacht haben, beispielweise mit der schwierigen Konjunkturlage in der Baubranche: Der Angebotsmarkt ist aktuell nahezu gesättigt, weshalb sich bei Ausschreibungen oft kaum oder teurere Angebote als prognostiziert generieren lassen. Als Folge können zeitliche Verzögerungen oder steigende Kosten bei den Projekten auftreten.
Als weitere Herausforderung erweist sich in dieser Hinsicht das Bauen im Bestand: Auch hier verlängert sich die Baudauer oft durch nicht vorhersehbare Ereignisse im Projektverlauf. In den ersten Kostenschätzungen nicht berücksichtigte Ausgaben, z.B. für Ersatzstandorte oder zur Erfüllung von Vorgaben hinsichtlich Denkmal- und Brandschutz, werden dann oft zu Kostentreibern und Verzögerungsgründen.
Als kritischste Herausforderung griffen die Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen in der abschließenden Diskussionsrunde in ihren Wortmeldungen den engen Zeitrahmen auf, in dem die Projekte umgesetzt werden müssen, der der Laufzeit des Förderprogramms geschuldet ist. Die Einhaltung der Kostenplanung sowie des Zeitrahmens wird zu einer Herausforderung, wenn
- die Konjunkturlage der Baubranche fehlerhaft eingeschätzt wurde (derzeit besteht eine hohe Auftragssituation bei den Firmen).
- sich Verzögerungen bei der Auftrags-Vergabe ergeben, weil sich auf Ausschreibungen keine Auftragnehmer melden.
- die Zusammenarbeit mit der Bauprüfungsebene, wo beispielsweise bisher unbekannte Auflagen zur Einhaltung des Brandschutzes eine weitere Änderungsplanung zur Finanzierung oder zur Projektausrichtung selbst notwendig werden lassen.
- die Einschätzung von Sanierungskosten unzutreffend war. Der Sanierungsaufwand beim Bauen im Bestand lässt sich nicht immer im Voraus für sämtliche Bauteile genau einschätzen, wenn sich beispielsweise im Nachhinein herausstellt, Fundamente oder tragende Mauern sind unzureichend ausgeführt und müssen zusätzlich ertüchtigt werden. Es können sich weitere bisher unbekannte Herausforderungen einstellen, wie archäologische Funde oder der Ausbau von kontaminierten Bauteilen.
Nichtsdestotrotz stellt die Unterstützung durch das Bundesprogramm eine große Bereicherung für die Städte und Gemeinden dar. Die Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen beim Netzwerktreffen waren sich einig, dass diese für das Zusammenleben vor Ort zentralen Vorhaben nur so umgesetzt werden können.
Schlusswort und Ausblick
Zum Abschluss des Netzwerktreffens richtete Dr. Markus Eltges, Leiter der Abteilung I Raumordnung und Städtebau im BBSR, das Wort an die Teilnehmenden. Er hob dabei noch einmal die Bedeutung des Treffens für das gegenseitige Kennenlernen und den Austausch untereinander vor. Das Ziel der Veranstaltung, die ehrlichen und konkreten Einschätzungen der Handelnden vor Ort zu erhalten, sei absolut erfüllt worden. Es sei in der aktuellen Phase sehr wichtig, auch den O-Ton aus den Kommunen zu erfahren, betonte Dr. Eltges. Er forderte die Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen dazu auf, die neu gewonnenen Kontakte zu nutzen, um sich auf Basis eigener Erfahrungen gegenseitig bei Herausforderungen zu unterstützen. Der Dialog untereinander müsse im Vordergrund stehen. Er betonte zudem den Stadt-Land-Ausgleich als wichtigen Aspekt des Bundesprogramms. Dr. Eltges stellte heraus, dass das BBSR den Kommunen jederzeit als Ansprechpartner bei Problemen und offenen Fragen zur Verfügung stünde. Er beschloss seine Rede mit der Ankündigung des zweiten Netzwerktreffens, das für Herbst 2018 geplant ist. Hier könne man sich weiter zu Lösungen und Erfahrungswerten aus dem Projektverlauf austauschen.
Galerie
Das Netzwertreffen wurde u. a. unterstützt durch das Förder-Programm „Aktive Zentren Marzahner Promenade“.